Bergen Belsen – Auschwitz – Sachsenhausen - Buchenwald
Jeder, der diese Namen hört, weiß auf Anhieb welch schwerer Bedeutung diese Orte in der deutschen Geschichte sind und was sich hier für Szenarien zugetragen haben. Doch wusstet Ihr, dass auch Ziegenhain, der heute grob 760 Einwohner zählende Stadtteil von Schwalmstadt, eine tragende Rolle in der Geschichte des Nationalsozialismus spielte?
Das NS-Regime errichtete während des zweiten Weltkrieges um 1939 ein Kriegsgefangenenlager, welches den Namen STALAG IX A erhielt und vorerst nur aus aufgestellten Zelten bestand. Erst Ende 1940 wurden die Zelte durch stabile Fachwerk-Baracken ersetzt, welche Platz für bis zu 8000 Gefangene aus den verschiedensten Nationen boten. Zunächst waren es Polen und Franzosen, unter ihnen auch der spätere französische Staatspräsident François Mitterrand. Später kamen auch Belgier, Briten, Niederländer, Serben sowie Italiener und Amerikaner hinzu. Der Großteil der Gefangenen musste Zwangsarbeit in der Landwirtschaft oder der Rüstungsindustrie außerhalb des Lagers verrichten. Menschen mit sowjetischen Wurzeln hatten furchtbarer weise kaum Chancen jemals lebend das Lager wieder verlassen zu können – sie starben überwiegend an Unterernährung oder Infektionen.
Am 30. März 1945 wurde das Lager nach jahrelangen Schreckenszeiten endlich befreit und diente der US-Army bis zum Sommer 1946 als Basis für das Camp95 und beispielsweise der Unterbringung von Frauen, Mitgliedern der Waffen-SS und Wehrmachtssoldaten.
Ab August 1946 benötigte die US-Army eine Durchgangsstation für die sogenannten Displaced Persons (DPs), welche ihre Ausreise nach Australien, Kanada, Palästina, Großbritannien, Südamerika oder in die USA ersehnten. Das einstige Gefangenenlager trug nun also den Namen DP-Lager 95-443 Ziegenhain und beherbergte in den leerstehenden Baracken bis zu seiner Auflösung im November 1947 durchschnittlich 2000 Personen.
Nachdem das ehemalige STALAG IX A Schauplatz für so schlimme und später so hoffnungsvolle Momente der Geschichte war sollte es im Januar 1948 eine neue Bestimmung bekommen. Der damalige Kreis Ziegenhain pachtete das Gelände nämlich für fünf Jahre um dort Flüchtigen oder Vertriebenen aus Schlesien, dem Sudetenland, Pommern, Ost- und Westpreußen eine Unterkunft zu bieten. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich das Lager zu einem aufstrebenden Gewerbegebiet, welches das erste im Kreis Ziegenhain sein sollte. Die Rund 500 Flüchtlinge und Vertriebenen gründeten Betriebe und schufen somit über 200 Arbeitsplätze. Aufgrund dieser rasanten Entwicklung wurde aus dem einstigen Lager zum 01.April 1951 eine selbstständige Gemeinde, benannt nach der naheliegenden Wüstung Trutzhain. Schlussendlich wurde die Gemeinde ab Ende 1970 offiziell ein Stadtteil von Schwalmstadt.
Bis heute lassen sich in der Hauptstraße Trutzhains noch die Spuren der Vergangenheit entdecken – die einstigen Lager-Baracken wurden erhalten, saniert und dienen heute als Wohnhäuser. Besonders die seit 1983 bestehende Gedenkstätte Trutzhain mit Museum hat die Vergangenheit dokumentiert und bietet den Besuchern einen informativen und emotionalen Einblick in die Geschichte dieses bewegenden Ortes, welcher von Historikerin Karin Brandes und einer Gruppe Freiwilliger betreut wird.
Frau Brandes freut sich immer über tatkräftige Unterstützung vor Ort und somit sind Bewerbungen für ein Praktikum oder eine Stelle auf freiwilliger Basis gern gesehen. Wer hierüber mehr erfahren möchte kann alle nötigen Daten und natürlich auch die Öffnungszeiten und aktuellen Termine und Veranstaltungen der offiziellen Homepage der Gedenkstätte entnehmen.
Einen kleinen Einblick in die Stätte bekommt Ihr außerdem in unserem aktuellen Kampagnenvideo!