Allendorf/Michelsberg.
Wer in den vergangenen Wochen und Monaten auf den Landesstraßen 3074 und 3067 zwischen Schwalmstadts Stadtteilen Allendorf, Michelsberg und Rörshain unterwegs war, dem dürften sie aufgefallen sein: Bagger und andere Baufahrzeuge auf Wiesen und Feldwegen. Sie kamen bei Renaturierungsarbeiten an der Gers zum Einsatz. Das Gewässer war bereits stark zusammengerückt und verlief an vielen Stellen sehr gerade. Zur Stärkung der biologischen Vielfalt brauchte es wieder mehr Platz.
Die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium (RP) Kassel hat das Projekt finanziert und betreut. Zum Projektabschluss besichtigte Regierungspräsident Mark Weinmeister die Maßnahmen am Montag. Zusammen mit Schwalmstadts Bürgermeister Stefan Pinhard informierte sich Weinmeister vor Ort über die Ergebnisse. Stadtbauamtsleiter Alexander Inden, Dr. Ing. Reiner Braun und Oliver Spohr von der Weber-Ingenieure GmbH sowie Dr. Christian Henschke vom Regierungspräsidium Kassel erläuterten das Projekt und dessen Ziele.
Die Maßnahme wurde im Rahmen des Integrierten Klimaschutzplans des Landes Hessen (IKSP) umgesetzt. Dieser zielt darauf ab, ökologische Funktionen von Fließgewässern zu reaktivieren, die bei Begradigungen und Auewaldrodungen verloren gegangen sind. Durch eine Gewässerrenaturierung sinken die Fließgeschwindigkeiten und im Gegenzug steigt die Grundwasseranreicherung. Durch die Renaturierung erhöht sich zudem die Strukturvielfalt im Gewässer: Der Sauerstoffeintrag steigt und die Selbstreinigungskraft verbessert sich. Eine bessere Durchgängigkeit ermöglicht Flussorganismen, in kühlere Gewässerabschnitte zu wandern. So profitieren viele Pflanzen und Tiere, die von den Folgen des Klimawandels negativ betroffen sind, von den Renaturierungen.
Die Obere Naturschutzbehörde beim RP Kassel hat das Projekt an der Gers betreut und mit Landesmitteln in Höhe von 180.000 Euro finanziert. Die Maßnahme konnte dabei in größerem Umfang realisiert werden als von der Wasserrahmenrichtlinie gefordert. „Der Klimawandel vollzieht sich hier und jetzt, vor unseren Augen. Dürreperioden werden wir immer öfter sehen, genauso wie Starkregen- und Hochwasserereignisse. Deshalb ist es wichtig und richtig, unseren Flüssen wieder buchstäblich Raum zum Atmen zu geben und die Folgen von Begradigungen und Auenrodungen abzumildern“, so Regierungspräsident Mark Weinmeister. „Das alles ist nicht billig, zahlt sich aber aus. Denn wir gewinnen lebendige, artenreiche Gewässer zurück, die zudem im Hochwasserfall natürliche Rückhaltsräume bieten. Das ist hier auf vorbildliche Weise gelungen, indem alle Beteiligten sehr eng und lösungsorientiert zusammengearbeitet haben.“
Die Maßnahme mit einer Flächengröße von 17,7 Hektar wurde in zwei Bauabschnitten zwischen 2016 bis 2022 geplant und baulich umgesetzt. Die Förderung des ersten Bauabschnitts erfolgte aus dem Landesprogramm „Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz“ und der zweite Bauabschnitt aus Mitteln des „Integrierten Klimaschutzplan Hessen“. Die Gers zeigte bisher in weiten Teilen grabenartige Strukturen ohne Uferbewuchs, einen gestreckten Lauf ohne Kurven und ein monotones Strömungsbild. Durch die Renaturierungsmaßnahmen konnte der Gers der Platz in der Aue zurückgegeben werden, den sie in der Vergangenheit verloren hatte.
„Die Baumaßnahmen hatten einen langen Planungs- und Ausführungszeitraum. Das hat meine Bauverwaltung viel Energie gekostet. Das Ergebnis kann sich aber wirklich sehen lassen! Wasserökologie, Natur- und Klimaschutz sind für uns alle heute von essenzieller Bedeutung. Deshalb werden wir als Stadt auch künftig solche Maßnahmen weiter umsetzen. Zudem möchte ich mich bei allen Beteiligten – insbesondere den Landwirten und Landeigentümern – ganz herzlich für die tolle Zusammenarbeit bedanken“, resümierte Schwalmstadts Bürgermeister Stefan Pinhard das Projekt.